Nordend: Ein Quartier im kreativen Umbruch

Nordend: Ein Quartier im kreativen Umbruch

Das Offenbacher Nordend ist ein beliebtes Wohnviertel, in dem sich eine Vielfalt von Nationalitäten, Alt- und Neu-Offenbachern, Kreativen und Querdenkern gleichermaßen zu Hause fühlt. Kultur und Gastronomie, Messe und Handwerk, Mode und Kunst in Hinterhöfen – die Ecken zwischen Kaiserstraße, Berliner Straße, Goethering und dem Main bieten in vielerlei Hinsicht Raum zum Leben, Wohnen und Arbeiten. Hinzu kommt noch jede Menge „Neuland“ durch die Entwicklung des Hafengebiets vor der Nordend-Haustür: Mit 256.000 Quadratmetern ist es eines der größten Entwicklungsgebiete des Rhein-Main-Gebiets und wird in den kommenden Jahren als „Mainviertel Offenbach“ zum neuen Stadtteil heranwachsen. 

Wir haben eine der vielen Familien im Nordend besucht: die Bhattis. Sie wohnen in einer Altbauwohnung im Nordring, und das bedeutet Aussicht. Mainblick. Auf die beeindruckende Kulisse von Hafeninsel, Kränen, altem Kohleförderband und Kraftwerk, mitsamt dem ganzen Um- und Aufbruch, der dort grade mit Baggern, Zementmischmaschinen und Stahlträgern vorangetrieben wird. Am Hausrücken öffnet sich das „alte“ Nordend mit seinen kleinen Läden, Apotheken, netten Kneipen und Restaurants. Das Viertel hat gute Einkaufsstrukturen und beherbergt viele Kreative, die in Hinterhöfen, alten Fabriken oder ehemaligen Kaufläden werken, ausstellen und verkaufen. Der Weg ins Zentrum, zum Wochenmarkt und Marktplatz, ist in Laufweite, das Capitol und die Messe sind um die Ecke, der Flohmarkt vor der Tür. Mehr geht nicht.

Die Wohnung der Familie Bhatti ist eine versteckte Schönheit hinter einer unscheinbaren Großstadtfassade. Betritt man den Hausflur, eröffnen hölzerne Flügeltüren helle und großzügige Stockwerke. Licht ist hier kein Fremdwort. Groß und hell ist auch das Wohnzimmer der Bhattis, in das wir uns zum Erzählen setzen. Hier trifft sich die Großfamilie mit sieben Kindern zum Essen, Erzählen oder Fernsehen. An diesem Nachmittag sind fast alle Kinder zu Hause, dazu kommen noch die Fotografin und ich – aber auch die befreundete Familie aus dem Stock darunter samt Baby-Drillingen findet kurz darauf noch problemlos Platz im Reich der Bhattis. Das liegt zum einen an deren Herzlichkeit, zum anderen an der tollen, geräumigen Wohnung. Hier kommen zu größeren Feiern auch mal 90 Verwandte und Freunde unter, unser Besuch ist da eher ein Kleinfeldspiel…

Wenn sie von ihrem Leben erzählen, spürt  man sofort, dass die Bhattis in Offenbach ihr Zuhause gefunden haben. Sie gehören zur Stadt und die Stadt zu ihnen. Die fünf Jungs und zwei Mädchen verbringen in der Stadt ihre Freizeit, arbeiten, machen grade eine Ausbildung, sind selbstständig oder gehen noch zur Schule. Ein so schönes Zuhause zu finden, war für die kinderreiche Familie mit Migrationshintergrund zunächst aber gar nicht so einfach. Zuvor wohnten sie über Jahre sehr beengt in einer 3-Zimmer-Wohnung. Auf Bewerbungen für größere Wohnungen folgten über Jahre nur Absagen. Irgendwann kam dann aber das Fünkchen Glück dazu: ein Mensch & Hausbesitzer, der seine Wohnungen ohne Schubladendenken vermietet. „Unser Vermieter ist einfach sympathisch, hat keine Vorurteile oder so“, fasst Hasan den Glückfall zusammen. Seit gut 6 Jahren wohnen sie jetzt in der 140 Quadratmeter großen 5-Zimmer-Wohnung und fühlen sich auch im Haus mit den Nachbarn sehr wohl. „Hier sind alle total nett, freundlich und keiner lebt nur so für sich allein“, erklärt wieder Hasan, offenbar der „Pressesprecher“ der Familie. 

Familiensinn und Zusammenhalt  gehören selbstverständlich zu den Bhattis. 1992 flohen die Eltern mit vier Kindern aus Pakistan nach Offenbach, nachdem sie als Gläubige der Ahmadiyya-Reformgemeinde in ihrer Heimat verfolgt wurden. In ein paar Wochen, wird Frau Bhatti nach über zwanzig Jahren zum ersten Mal wieder nach Pakistan reisen, um ihre Schwester zu sehen. In Offenbach wohnt und lebt die Familie jetzt mit ganzem Herzen und engagiert sich hier in einer der größten Ahmadiyya-Gemeinden Deutschlands.