Rumstromern in Rumpenheim

Rumstromern in Rumpenheim

Von Offenbach aus geht’s am Morgen entlang dem Kuhmühlgraben, zwischen Wiesen, Feldern und Schrebergärten, nach Rumpenheim, das noch halb verschlafen daliegt. Keine nervösen Autostaus auf Ein- und Ausfallstraßen, kein Gehupe, keine Ungeduld am Zebrastreifen. Alles wirkt entspannter als in OF-Innenstadt. Ich durchquere ein altes Wohnviertel, das mit großen, grünen Vor- und Hintergärten aufwartet und rattere mit dem Fahrrad über Kopfsteinpflaster Richtung Main und Altstadtkern. Die Fachwerkhäuser und die süßen kleinen Häuschen erinnern mich an die Augsburger Puppenkiste. Schön ist das alles. Ein paar Straßen weiter schließt dann am Feld- und Waldrand ein Neubaugebiet an, das modern, funktional und puristisch wirkt. Weiße, klare Fassaden mit viel Glas dominieren. Hier müssen wohl Architekten oder Bauingenieure wohnen, denke ich beim Weiterradeln. 

Zurück zum Mainufer, für einen kleinen Spaziergang im Schlosspark Richtung „Baumsaal“, vorbei an mehreren Familien, die auf der Wiese grade alles Mögliche für einen Kindergeburtstag aufbauen. Klasse – der Schlosspark gehört definitiv allen und nicht nur einigen. Ich mache mich auf die Suche nach dem Mitbringsel von der Weltausstellung 1905, dem türkischen Pavillon, einem kunsthandwerklichen Schmuckstück, das die Rumpenheimer Schlossherren in Paris erstanden haben.
Vom Schlosspark geht’s weiter zu Schloss & Schlosshof, der mitten im Landschaftsschutzgebiet mediterranen Flair und Verspieltheit ausstrahlt.  Dass hier viele Familien wohnen, ist nicht zu übersehen: An den Mauern entlang stehen Holztische für die Erwachsenen und die Kinder  erobern sich spielend und tobend den Hof

Puristisch und modern 

Das Rumpenheimer Schloss ist auf den ersten Blick eine klassische, dreiflügelige Schlossanlage, das im Inneren mit einer ganz besonderen Synthese aus altem Gemäuer und jungen, modernen sowie puristischen Elementen überrascht. Klar und funktional, null Schnörkel. Der Kern des heutigen Schlosses geht auf ein Herrenhaus von 1678 zurück. Nachdem die landgräfliche Familie das Anwesen verlassen hatte, setzte der allmähliche Verfall ein. Im Zweiten Weltkrieg beschädigten Fliegerbomben zudem den Mittelteil des Schlosses. Einer Bürgerinitiative ist es zu verdanken, dass heute das Schloss in alter Pracht dort steht und nicht etwa eine Hochhauszeile mit Tennishalle und Wellnessbereich, die Anfang der 70er Jahren noch geplant war. Erst seit 2002 präsentiert sich das Schloss wieder in seinem historischen Erscheinungsbild.

Langsam, aber sicher macht sich Hunger breit, jedoch scheitern meine Spontanversuche der Essensbeschaffung erst mal, weil Pommes- oder Würstchenbuden nicht in Sicht und Gaststätten oder Restaurants offenbar gut versteckt oder geschlossen sind.

Aber zum Glück gibt es in Rumpenheim immer noch das Fortleben der alten Bürgerhaus-Tradition. Knirschender Kiesboden, Holztische und ein riesiger Holzkohlengrill laden zur griechischen Küche. Ich bekomme Bifteki, Salat sowie kühles Wasser und verlasse danach sehr zufrieden und satt den Bürgerhaus-Biergarten wieder. 

Nicht weit davon führt ein kleines Gässchen direkt zur Fährstation ans Mainufer hinunter. Am Fähranlegeplatz treffen Fern- und Nahradwege zusammen. Unter alten Bäumen kann man auf Holzbänken das Treiben am und auf dem Main, sowie jede Menge Brutvögel beobachten.

Weinwunder

Nicht weit von Mainufer liegt der kleiner Weinberg der Familie Gibbert, die ihn dort durch Zufall vor einigen Jahren entdeckten und dann mit 99 Weinstöcken wieder bepflanzt haben. Das liegt nahe, wenn man wie die Familie Gibbert seit dem 13. Jahrhundert an der Mosel Wein anbaut. Der kleine Rumpenheimer Weinberg wurde 770 von einem Gunthard aus Rumpenheim dem Kloster Lorch als Schenkung überlassen. Tolle Vorstellung, dass vor Jahrhunderten hier bereits Wein angebaut wurde und die Gibberts diese Tradition jetzt fortsetzen. Unbedingt gegen Abend hinradeln und im Weinberg der Sonne mit einem kühlen Glas Wein in der Hand beim Untergehen zuschauen! 

Rumpenheim scheint kreativ zu beflügeln.

Der kleine Stadtteil bietet jede Menge großARTige Angebote in Sachen Kunst, Musik und Kultur. Wie zum Beispiel im Mausoleum, der einstigen Grabstätte der landgräflichen Familie, die heute der Verein RUK (Rumpenheimer Kultur e. V.) für Veranstaltungen nutzt. Auch das Sommerfest „RUK im Park“ ist so was wie die absolute Naherholungsveranstaltung für umsonst und bietet einen guten Mix aus Kabarett, Jazz, Theater, Songwritern und Rock ’n‘ Roll ohne Kompromisse.

Flanier- und Picknickkonzerte für die ganze Familie im Schlosspark haben inzwischen Kultstatus. Hier nahmen schon einige Eheversprechen ihren Anfang. Im September kann man dann während der „Rumpenheimer Kunsttage“ im Schlosspark, im Mausoleum, der Schlosskirche und in privaten Ateliers die Werke vieler Künstler anschauen. Auch die Schreinerei Lacher zeigt was man alles Tolles aus Holz machen kann oder wie hier Alltagsgegenstände ein „zweites Leben“ geschenkt bekommen.
Langsam wird’s Zeit für den Rückweg nach OF-Ost. Eines wird beim Heimradeln schnell klar: Ein Tag in und für Rumpenheim ist viel zu kurz! Wiederbesuchen, Auswandern oder am besten eine nette kleine Osteria vor Ort aufmachen – denn Rumpenheim schenkt sowieso Gefühle wie im Urlaub.