Wie aus einem Guss
 
 

Fotos © Urban Media Project

Wer schon einmal getöpfert hat, weiß: Eine Schale entsteht nicht einfach über Nacht. Alles fängt mit einem unscheinbaren Tonklumpen an, der zuerst geknetet und gedreht, dann über einen langen Prozess hinweg getrocknet, gebrannt, glasiert und schließlich nochmal gebrannt werden muss. Wie beim Töpfern formte Tamara Pesic ihr Studio und Keramik-Projekt "a pinch of salt" aus einem ehemaligen Schuhgeschäft heraus und drehte diesen in einen lebendigen Ort der Kreativität um.

Wenn man am Ende der Ludwigstraße ankommt, fällt der Blick automatisch auf die linke Seite der Straße, denn die imposante Heyne-Fabrik mit ihrer charmanten Backstein-Ästhetik und ihren modernen Showrooms zieht die Aufmerksamkeit der vorbeilaufenden Menschen auf sich. Doch wer seinen Blick auf die rechte Seite schweifen lässt, wird schnell merken, dass es hier nicht minder spannend zugeht. Denn hier tummeln sich Offenbachs Kreative in Studios und Ateliers, in denen es hochwertige Produkte zu bestaunen gibt. Eines dieser Ateliers ist das Keramikstudio "a pinch of salt" von Tamara Pesic.

Die gebürtige Offenbacherin studierte Industriedesign in Darmstadt und arbeitet interdisziplinär als Designerin in verschiedenen Feldern: von Produkt- und Interior Design bis hin zu Food Installationen und Esserlebnissen. Besonders befasst sie sich jedoch mit der Keramik. Kaum ein anderes Material ist so geschichtsträchtig wie Ton, welches seit Anbeginn der Zivilisation über Kulturen hinweg als Rohstoff für Töpferwaren genutzt wird. Dieser historische Aspekt sowie der Facettenreichtum des Materials faszinieren sie. Dass man aus einfacher Erde kunstvolle Schalen, Teller und Vasen erschaffen kann, gleicht einem Zauber. In Wahrheit hat der oft lange Arbeitsprozess jedoch nichts mit Magie zu tun, sondern mit einer großen Portion Kreativität, hoher Konzentration und Ausdauer. Für ihre Arbeit bedient sich Tamara vielfältiger Herstellungstechniken, vom Drehen und Gießen bis zu den verschiedenen Aufbautechniken (auch Handbuilding genannt) der Keramik.

 
 
 
Für mich liegt eine ungeheure Schönheit in dem Material, da es sich mit den bloßen Händen in unendlich viele Formen bringen lässt.
— Tamara über das Arbeiten mit Ton
 

2020 übernahm sie ein dänisches Schuhgeschäft am Ende der Ludwigstraße. Hier sollte ihre Faszination zur Keramik in Form eines Studios Gestalt annehmen. Doch der Weg bis zur Vollendung erwies sich als Herausforderung: Durch die Corona-Pandemie waren Handwerkerinnen und Handwerker plötzlich nicht verfügbar. Mithilfe ihrer Familie und engsten Freunde packte sie die Renovierungsarbeiten selbst an. Gemeinsam entfernte man Millimeter für Millimeter den alten Boden. „Bis der neue Boden fertig gegossen, durchgetrocknet und versiegelt war, vergingen mehrere Wochen“, erinnert sich Tamara. Auch alle Möbel wie die Tische und Regale hat sie selbst entworfen und gebaut. So bekam ihr Atelier über den Zeitraum von einem halben Jahr seine jetzige Form.

Die Liebe zur Keramik spiegelt sich in ihrem Studio. Der vordere Teil des Raumes z. B. erinnert ein wenig an einen Tempel: Mit weißen Podesten und Weihrauch-ähnlichen Pflanzen wird hier noch die jahrtausendealte Handwerkskunst des Töpferns geehrt. Die ausgewählten Keramiken wurden zu einem harmonischen Ensemble zusammengesetzt, sodass Farben, Formen und Kompositionen der einzelnen Stücke miteinander korrespondieren. Hinter dem roten Vorhang, der das Sakrale vom Profanen zu trennen scheint, offenbart sich der Blick auf einen langen Tisch verschiedenster Keramiken. Hier beginnt der Arbeitsbereich, der sich über den Rest des Raumes ausbreitet. Die zeremonielle Atmosphäre des vorderen Teils ist in diesem Bereich kaum noch zu finden, dafür allerdings jede Menge Experimentelles: Verschiedenste Gießformen, schneeweiße Schrühwaren, die darauf warten, glasiert zu werden, Boxen voller Tonreste, die sich regalhoch türmen, Sammlungen von Glasuren und hier und da einige Schalen von Mandarinen.

Dies alles passt jedoch zum Gesamtbild. Es ist ein Raum, in dem gelebt und gearbeitet wird. Hier darf und soll neben dem Zelebrieren auch experimentiert werden. Denn „a pinch of salt“ widmet sich nicht nur der Schönheit des Töpferns, sondern erkundet auch die Schnittstelle zwischen Food und Design. Werkzeuge und Objekte, die zum Essen verwendet werden, sowie Rituale des Zusammenkommens und Teilens werden hierbei erforscht und gemeinsam erlebt. Das Konzept erweist sich als erfolgreich: Regelmäßig hört Tamara von Teilnehmerinnen und Teilnehmern ihrer Keramikworkshops, dass das Arbeiten mit Ton wie eine Therapiestunde sei, die angesichts des hektischen Alltags eine heilende Wirkung habe.

 

Adresse: Ludwigstraße 197, 63067 Offenbach
Website: apinchofsalt.de
Instagram: @apinchofsalt.off