Hausmeister in Babos Kiez

Hausmeister in Babos Kiez

Arthur Seitz legt seine Hand an den Heizkörper. Er ist nicht deswegen in den kleinen Andachtsraum der Gospelgemeinde gekommen, sondern nur weil Besuch da ist, aber er macht das ganz automatisch. Heizung anfassen, zufrieden feststellen: lauwarm. „Das ist meine Uffgab“, sagt Seitz und mischt in dem Satz viel Hessisch mit ein wenig Oberfränkisch. Wenn die Gospelgemeinde mit der jamaikanischen Pastorin am Freitag zur Bibelstunde kommt, dann muss der Raum warm sein. Außerdem sollte dann noch alles da sein, das Schlagzeug, das Keyboard, die Verstärker. Seitz sieht regelmäßig nach. Ist denn schon einmal etwas weggekommen? „Nee“, sagt Seitz, „zum Glück nich.“ Nur die Kinder, die klettern manchmal auf das flache Dach und zerren an der Dachpappe. Arthur Seitz, achtundsiebzig Jahre alt, Schiebermütze aus braunem Cord, grauer Arbeitsmantel, ist Hausmeister in einer der übelsten Straßen Offenbachs, jedenfalls dem Ruf nach. „Offenbach bleibt hart // Hermann-Steinhäuser-Straße, Mainpark, Chab“, dichtet „Haftbefehl“ von Drogen und Gewalt; der Rapper mit türkisch-zazaisch-kurdischen Wurzeln ist hier um die Ecke groß geworden. Hausmeister Seitz hebt ratlos die Arme.

„Ich kann net klage mit meine Leut“,

 sagt er, der seit sechzehn Jahren jeden Tag im Haus Hermann-Steinhäuser-Straße 15 ist, immer zwischen zehn und zwölf. Nur sonntags kommt er erst am Nachmittag aus dem eher bürgerlichen Offenbacher Stadtteil Bieber, wo er wohnt. Da stellt er die Mülltonnen raus auf die Straße, die montags in aller Frühe abgeholt werden.

Seitz kam 1957 aus seiner oberfränkischen Heimat nach Offenbach, hier fand er seine Frau. Sechs Kinder haben sie und achtzehn Enkel. Als Kranfahrer baute Seitz den Messeturm und die Commerzbank mit auf, jahrelang war er auf Montage. Deshalb kann er auch jetzt nicht daheim rumsitzen, sondern kümmert sich lieber um sein Haus.

Sechs Parteien wohnen darin, außerdem gibt es möblierte Einzelzimmer für Pendler, Arbeiter wohnen hier, aber auch eine Ärztin.

Die Zimmer sind renoviert, moderne Möbel, moderner Boden. Das sieht man ihm von außen ja gar nicht an, diesem alten Haus zwischen den grauen Arbeiterblocks. Seitz lächelt. „Hausmeister ist ein Vertrauensposten“, sagt Seitz. Er hat Schlüssel zu jeder Wohnung, er schließt auf, wenn tagsüber ein Handwerker kommt, und dann passt er auf, dass nichts wegkommt. Wenn der Sohn der griechischen Familie aus dem Vorderhaus, neun Jahre ist er alt, nach der Schule keinen Schlüssel dabei hat, dann macht er auch ihm auf. Die Mutter des Jungen arbeitet als Putzfrau, der Vater als Maurer, sie kommen erst spät. Nur einmal, da ist Seitz mit dem in Berührung gekommen, was so über die Hermann-Steinhäuser-Straße geredet wird und was offenbar direkt vor seiner Haustür beginnt. Da haben sie einen neuen Hausmeister gesucht für die Nummer 17, direkt nebenan. Das habe er aber nicht machen wollen, sagt Seitz. Er wisse zwar nichts weiter über die Drogengeschichte im Nachbarhaus. Aber der alte Hausmeister des Blocks hatte ihm manchmal davon erzählt, wenn er nachts angerufen wurde, weil es wieder eine wilde Schlägerei gab. Seitz zuckt mit den Schultern. „Ich bin zufriede mit meine Leut, und sie mit mir.“


Denise Peikert, Journalistin
Photos: Jessica Schäfer, 2016

Diese tollen Texte und wunderbaren Bilder sind im Rahmen der Making Heimat (Link: http://www.makingheimat.de/) Ausstellung entstanden. Unser Dank gilt dem DAM Deutschen Architektur Museum.