Ein „kleiner Sommernachtstraum“ mit dem Oratorienchor Offenbach

Ein „kleiner Sommernachtstraum“ mit dem Oratorienchor Offenbach

Chor, das klingt immer ein bisschen nach Liederkranz und gestärktem Stehkragen. Muss es aber nicht.

Der Oratorienchor Offenbach kommt dem Klischee ohnehin nur auf dem Geburtskalender nahe: 1826 gegründet in den Zeiten des Um- und Aufbruchs im vorrevolutionären Deutschland. Und immer noch auf der Bühne. So etwas nennt man wohl mit Fug und Recht altehrwürdig.

Trotz seines betagten Alters benimmt sich der Chor aber ausgesprochen jung, ja  geradezu experimentierfreudig: Keine wohlgeordneten Sängerreihen mit Notenblättern in der Hand, sondern Aufführungen, bei denen sich Musik, Literatur, Darstellende Kunst und manchmal auch Tanz zu einem Gesamtkunstwerk verbinden.

Orffs „Carmina Burana“ in Zusammenarbeit mit dem Avantgarde-Theater „Die Neu-Rosen“, expressive Bilder zu Glucks „Orpheus und Eurydike“ oder eine Revue zum 200. Geburtstag des hessischen Schriftstellers und Sozialrevolutionärs Georg Büchner gehören zu den unvergessenen Aufführungen. Unter der musikalischen Leitung von Regine Marie Wilke hat sich der Oratorienchor damit in den vergangenen Jahren über die Grenzen des Rhein-Main-Gebiets hinaus einen Namen für spannende Musikprojekte ersungen.

Aktuell wagt sich das rund 25-köpfige Ensemble mit Unterstützung der Energieversorgung Offenbach AG (EVO) an einen „kleinen Sommernachtstraum“ nach „The Fairy Queen“ von Henry Purcell. Zugegeben, muss man nicht sofort kennen. Wer’s dennoch wissen will: Dabei handelt es sich um eine Art barockes Musical aus dem späten 17. Jahrhundert, das inhaltlich auf dem rund 100 Jahre älteren Sommernachtstraum von Shakespeare basiert (sollte man kennen). „Trotz seines Alters von mehr als 300 Jahren ist das Stück stellenweise sehr modern“, schildert die musikalische Leiterin und verspricht eine Aufführung „zum Heulen schön“.

Denn was vor 300 Jahren die Menschen erfreute, hat für die Zuschauer- und Zuhörer von heute nach wie vor seinen Reiz. Dazu zählt die barocke Opulenz des Stückes selbst und vor allem die phantasievolle Geschichte, in der sich zwischen Feen-  und  Menschenreich alles um die Irrungen und Wirrungen der Liebe dreht. Die hinreißende Musik aus der Feder von Henry Purcell tut ein Übriges, um eine Art sommernächtliche Revue entstehen zu lassen.

Schon die Proben, immer montags von 20 Uhr an in den Räumen der Offenbacher Mirjam-Gemeinde, machen Lust auf das „Barock-Musical“: Trotz minimalistischer Ausstattung lassen bunte Fächer und Blumen das Feenreich unmittelbar lebendig werden. Dazwischen taumelt ein „betrunkener Poet“ munter durchs Feenreich.

Apropos Proben: Dem Singen selbst schein etwas Ansteckendes anzuhaften. Davon zeugen zumindest die Gesichter bei den Chorproben. Überall lachende Münder und eine muntere Heiterkeit, die sich ganz lautlos auf die Zuhörer und Zuschauer im Probenraum überträgt.