Spiel der Könige

Spiel der Könige

Es gibt einige Orte in der Stadt, dort kommt irgendwie alles zusammen, was Offenbach ist. Dort lebt der Spirit, der eine Stadt zu dem macht, was Sie unverwechselbar macht. Das Schachbrett auf dem Platz der Deutschen Einheit ist ein solcher Ort. Ein Paralleluniversum zum Einkaufstreiben auf der Frankfurter Straße. An einem lauen Herbsttag kommen hier Menschen aus vielen Ländern und Lebenswelten zusammen, um das Spiel der Könige zu spielen. 

Dem Meister ganz nah

Wasili ist am Zug, er rutscht galant mit einem Turm über die 8x8. "Springer! Springer!“ ruft, nein schreit ein Mann von der Bank. Der Ausruf entfacht ein lautes Durcheinander von Kampfrufen und Ratschlägen. „Jeder hier denkt, er ist ein Kasparov“ sagt Wasili – er aber sei dem Altmeister des Schachs wirklich nahe, denn seine Heimatstadt, die georgische Hauptstadt Tiflis, liegt nur einige Autostunden von Garry Kasparovs Geburtsort Baku in Aserbaidschan entfernt. Auch er hätte, wie der Meister, mit Kindesbeinen das Schachspiel von seinem Vater gelernt, musste aber schon als Jugendlicher hart arbeiten und so blieb das Schach für ihn nur eine Leidenschaft. Nach Offenbach ist er, wie viele um das Quadratische Brett, wegen der Arbeit und der Suche nach einer besseren Zukunft für die Kinder gekommen.

Der Turm von Babel

Es ist auffällig, dass neben dem Schach recht wenig gesprochen wird. „Viele sprechen hier kein Deutsch“ verrät Abdel, der ägyptische Ingenieur. Hier geht es fast nur um das Spiel, das verbindet uns, nach dem Spiel gehen die meisten aber auch getrennte Wege,“ sagt er. So sind auch die Gewohnheiten und das „Commitment“ sehr unterschiedlich. Während die einen konzentriert das Spiel verfolgen und Kampfrufe von sich geben, ist es für die anderen nur leichte Unterhaltung, der ein oder andere nippt genüsslich an einem Bier oder anderen Getränken. Auf die Frage, wo die Frauen bleiben, antwortet Abdel: „Es geht hier oft schon rau zu, also im Spiel. Ist besser, wenn die Frauen die Sprüche nicht hören.“ 

Wichtiger Lebensraum

Ursprünglich war das Schachbrett neben der Evangelischen Stadtkirche positioniert, musste aber einer Baustelle – auf der seit gefühlten fünf Jahren nichts passiert – weichen. „Zum Glück wurde das Brett verlegt und nicht einfach abgebaut: Für uns ist es ein wichtiger Treffpunkt,“ sagt Vasily. Und in der Tat, das Brett ist fast bei jedem Wetter und an vielen Stunden gut besucht. „Viele Kinder kommen vorbei und schauen zu oder stellen Fragen, das ist gut, vielleicht kommt der nächste Kasparov irgendwann aus Offenbach,“ lacht Vasily laut und verkündigt seinem Gegner zufrieden: „Schachmatt!“