Gast in der eigenen Stadt

Gast in der eigenen Stadt

Ich packe meinen Koffer. Um mich selbst zu besuchen - mich in meiner eigenen Stadt, die mich einlädt für einen Tag ihr Gast zu sein. Heimat-Kurzurlaub mit leichtem Gepäck. Neugierig darauf, im Gewohnten etwas Neues zu finden. Vertraute Fremde irgendwie; auch weil sich das innere Navi umstellen muss. Es gilt, gewohnte Wege zu verlassen und Blicke umzulenken.

Für 40€ pro Person im Doppelzimmer

»Offenbach. Anders. Erleben.«: So betitelt es auch das Gemeinschaftsprojekt »Gast in der eigenen Stadt«, von dem die Einladung an alle Einwohner von Offenbach Stadt und Land ausgeht, einmal Kurzurlaub in der eigenen Stadt zu machen. Weil echtes Urlaubsfeeling eigentlich am besten in fremden Betten funktioniert, bietet das Sheraton in diesem Rahmen ein spezielles Übernachtungsangebot für seine »Offenbacher« Gäste an. Für 40€ pro Person im Doppelzimmer darf  hier mitten in und von Offenbach geträumt und am nächsten Morgen gefrühstückt werden, die Tagesausgabe der Offenbach Post inklusive. Geschlafen wird aber erst später. Jetzt liegt erst einmal ein Urlaubstag in meiner Stadt vor mir. Ich will dahin, wo ich noch nicht war. Mehr sehen als bisher.  Ich will »Tieftauchen«  in meine eigene Stadt, so wie es mir das Angebot der OFlovesU-Touren verspricht. Gemeint sind damit Führungen durch meine Stadt, durch Offenbach. Nach Themen unterteilt, aber ohne Mann mit Fähnchen. Sondern wie ein Spaziergang mit einem guten Freund, der einem alles zeigt, was ihm selber lieb ist. Das Prinzip, dass sich Schönes mit anderen geteilt, vervielfacht funktioniert – und passt gut zu dem Vorhaben, die eigene Stadt neu, vor allem neugierig zu entdecken. Ich werde deshalb später mitlaufen, bei einer Esskultour, mit 15 anderen die – wie ich – Hunger haben werden auf kulinarische Köstlichkeiten, auf Eindrücke und Geschichten. Vielleicht werde ich jemanden kennen oder jemanden kennen lernen.

Bis dahin mache ich erst einmal das, was zu einem Samstagmorgen in Offenbach immer gut passt.  Zum Wochenmarkt am Wilhelmsplatz gehen. Am besten dann, wenn viele noch schlafen oder manche eben noch nicht. Entweder, um direkt dort zu frühstücken oder um sich für ein »Frühstück auf dem Weg« zum Flohmarkt am Mainufer auszustatten. Das mache ich, während nur ein paar hundert Meter weiter ein kleiner Koffer im Hotel auf mich wartet. Abgestellt an der Rezeption, die mich freundlich begrüßt und darüber aufgeklärt hat, welche Besonderheiten meine Buchung noch für mich bereithält. Ich darf kostenlos das Klingspor Museum, das Haus der Stadtgeschichte aber auch das World of Fitness besuchen. In der GALERIA Kaufhof, M.Schneider, dem Neuen Bettenhaus, der Apotheke zum Löwen, kpOchs intercoiffure Peter Caligari und dem Blumenladen Johannes Kitzinger warten Geschenke auf mich und im Jack Wolfskin Store bekomme ich 15% auf einem Einkauf.

Ich beeile mich etwas mehr als sonst, fast wie ein echter Tourist. Weil es so nah ist, laufe ich vom Flohmarkt weiter am Main entlang zur Hafentreppe. Ich schaue mir den Hafengarten an und mache ein Foto, wie dieser gerade in den Winterschlaf fällt.

 Drei Stunden auf der Esskultour treiben lassen

Das entschleunigt mich wieder und so kann ich mich die folgenden drei Stunden auf der Esskultour treiben lassen, auf einer Reise durch Geschmack und Gerüche, viele Türen, die wir rein und wieder raus gehen, während es mir im Bauch immer wärmer wird. Und das, obwohl ich tatsächlich keinen der anderen Teilnehmer kenne, aber sonst jeder wenigstens einen. Da ist sie also, die vertraute Fremde, die ich gesucht habe. Potential zum Postkarten schreiben.

Das mache ich wenig später im Klingspormuseum, wo es plötzlich ganz ruhig und anders warm ist. Ein Ort, an den ich sonst viel zu selten komme und an dem mir Worte, Bilder und Gedanken in immer neuer Form, in wechselnden Ausstellungen begegnen.

Belgisches Bier und Fritten Spezial

Soviel Neues macht auch müde, weshalb ich kurz zu meinem Lieblingsitaliener muss. Um in ein vertrautes Gesicht zu lächeln, was mir Kraft schenkt, während ich Kaffee zum Mitnehmen bestelle und überlege, welche Geschenke ich mir noch unbedingt abholen möchte.

Tourifüße denke ich, wieder drei Stunden später. Und das ich vielleicht etwas komisch aussehe, mit  zweien meiner Geschenke, einem Daunenkissen und einer Rose, allein in einer Bar am Wilhelmsplatz. Ich bestelle belgisches Bier und Fritten Spezial und freue mich über nur etwa 7 Minuten Fußweg, die mich trennen, von einem frisch bezogenen Bett und Frühstück am nächsten Morgen - ohne etwas selbst dafür tun zu müssen. Urlaub eben.

Ein Gefühl, das anhält, weil die Stadt ein bisschen größer geworden ist. Größer für mich. Weil ich Orte gefunden habe, an denen ich vorher noch nie war – um Sachen zu machen, die ich sonst nicht mache. Und – weil ich wieder kommen kann, ohne Abschied nehmen zu müssen. Auch ohne Koffer.